Zeit für neues Denken
19.06.2020
ZVSHK, 17.06.2020. Frei nach dem Motto „Viel, hilft viel“ spannt die Politik gerade einen riesigen Rettungsschirm über das Land. Mit Bazooka und großem Wumms will die Bundesregierung die Illusion aufrechterhalten, die in Aussicht stehende größte Rezession seit dem 2. Weltkrieg werde für den einzelnen Bürger so schlimm schon nicht werden. Dieses Wunschdenken kostet viel Geld. Und zwar die, die es in Sicherheit wiegen soll: uns alle und künftige Generationen darüber hinaus.
Die Große Koalition hat die Schuldenbremse kurzfristig außer Kraft gesetzt. Damit hat sie mal eben alle staatlichen Sparbemühungen der letzten neun Jahre über Bord geworfen. Die Staatsschulden erreichen gerade eine neue Dimension: Der Umfang der Hilfspakete hierzulande entspricht etwa einem Drittel des Bruttoinlandsprodukts. Diese Entwicklung sollte doch Anlass genug sein, ökonomische Krisenpräventation einmal neu zu denken.
Nichts ist alternativlos. Auch nicht die Finanzierung milliardenschwerer Konjunkturpakete allein aus der Staatskasse. Die Geschichte lehrt: tiefgreifende strukturelle Veränderungen von Gesellschaften waren immer dann wirksam, wenn neue Geschäftsmodelle dazu die notwendigen Investitionen ausgelöst und finanziert haben. Was liegt da näher, einmal intensiv zu prüfen, die erforderlichen Klimainvestitionen in unserem Land in neue Geschäftsmodelle einzubetten? Geschäftsmodelle, die privaten Anlegern und Kapitalgebern ausreichend Anreiz bieten, in diese neue Form von Anlageklassen zu investieren?
Sparguthaben bringen in der aktuellen Niedrigzinsphase fast keine Erträge mehr. Erforderlich sind deshalb neue Formen von Anlageklassen, die die Vermögensbildung wieder massiv fördern. Vorstellbar wäre etwa die Auflegung eines „CO2-Bürgerfonds“, der ein nachhaltiges Investitionsprogramm zur Beschleunigung der Wärmewende speist. Ein für Anleger einlagenverzinslicher Bürgerfonds könnte aktuell ungenutztes Privatkapital aktivieren und daraus Investoren zinslose Darlehen für Energieeffizienzmaßnahmen zur Verfügung stellen. Um das Renditeversprechen zu realisieren, könnte zusätzliches Kapital durch den Bund zugeführt werden. Angelegt in Aktien, Immobilien und Anleihen wäre dies eine konjunkturbelebende Fördermaßnahme. Die erwirtschaftete Renditedifferenz zwischen dem (aufgrund der hohen Bonität des deutschen Staates) günstigen Schuldenzins und einer im Rahmen der wirtschaftlichen Erholung zu erwartenden Rendite, könnte zur Verzinsung für Anleger herangezogen werden und sogar als zusätzlicher Rentenbaustein dienen.
Ein weiterer Renditebaustein könnte sich aus abgewendeten CO2-Strafzahlungen speisen. Dadurch könnten ohne zusätzliche Haushaltsbelastungen in einem 10-Jahresprogramm über zehn Millionen veraltete und ineffiziente Heizanlagen durch moderne und EE-unterstützte Anlagen ausgetauscht werden. Eine klassische Win-Win-Situation. Der Klimaschutz profitiert von 35 Millionen Tonnen CO2-Einsparung. Der Staat gewinnt pro Jahr 3,8 Milliarden an Mehrwertsteuereinnahmen. Und die Bürgerinnen und Bürger im Land verfügen über eine neue ertragreiche Anlageoption zur privaten Alterssicherung.
Sicher: Die Konzeption eines solchen Fonds ist komplizierter, als einfach neue Schulden aufzunehmen. Aber: Dies wäre in mehrfacher Hinsicht ein nachhaltiger Beitrag zur Zukunftssicherung und kein simples Abfedern heutiger Probleme zulasten künftiger Generationen.
Helmut Bramann, Hauptgeschäftsführer des ZVSHK